← Index Es ist der 4. November zweitausendirgendetwas. Es regnet. Der Wind ist eiskalt.
Ich schließe das Fenster.
Die Urnen im Koffer warten schon.
Zieh dich warm an, sagt meine Tante.
Ich bin nicht gut drauf. Mein Herz wummert, schneller und härter als sonst. In meinem Darm herrscht große Unruhe, es dreht sich alles. Drückt von innen nach außen, gibt Tiergeräusche von sich. Ich glaube, gleich platzt mein Bauch und ein kleines Monster springt heraus. Mir ist verdammt übel.
So ist es.
Obwohl ich diesen Tag schon mehr als 143 mal in meinen Gedanken durchgespielt habe.
Wie ich aufstehe, meine Zähen putze, mich anziehe, das Frühstück ausfallen lasse, weil mir schlecht ist, aber der Kaffee geht, wie immer. Wie ich angezogen im Flur vor dem Spiegel stehe, in der rechten Hand den Griff meinen kleinen Koffers, wie ich meinen Mantel zurecht rücke, (Mama sagte immer: Wenigstens der Mantel muss gut ausgesehen, das ist das erste was man von dir sieht. Und die Haare.) Beim Blick in den Spiegel, stelle ich fest, das mit den Haaren habe ich einfach nicht drauf.
Ich halte mich am Koffer fest und der Tag ist nun da. Nicht nur in meinem Kopf. Sondern real time, real life.
Scheiße, scheiße, scheiße, fluche ich. Aber eigentlich weiß ich gar nicht, warum ich so gestresst bin.
Tot sind sie ja schon. Eine Weile. Und eingeäschert auch.
Getrauert habe ich auch schon. Monatelang.
Während die beiden Urnen in meinem Wohnzimmer standen.
Trotzdem fühle ich mich jetzt, wie vor einem Auftritt.
Ich lasse die volle Kaffeetasse im Flur auf dem Schuhregal stehen, öffne die Wohnungstür und trete ins Treppenhaus.
Die Rollen machen ein leichtes grummelndes Geräusch auf dem Boden. Der Fahrstuhl knackt und rauscht. Das Treppenhaus noch original Vintage, no retro, 60er Jahre. Ich lasse den Koffer kurz los, um die Türen des Fahrstuhls in der Mitte auseinaderzuziehen.
Sie scheppern gegen die rechts und links gegen den Türrahmen.
Ich nehme wieder den Koffer und trete in den Fahrstuhl.
Im Fahrstuhl wieder ein Spiegel. Das Licht ist unvorteilhaft, grell, von oben. Ich sehe so aus, wie ich mich fühle, denke ich.
Ich schaue mich genauer an, während an allen vier Seiten die anderen Stockwerke und Treppen durch die verglasten Seiten vorbeiziehen.
11) »wiederkehr / povratak«, 2023, Film, schwarzweiß, 15 min → YouTube
12) »wiederkehr / povratak«,
2021, Film,
schwarzweiß, 20 Min
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Ich schließe das Fenster.
Die Urnen im Koffer warten schon.
Zieh dich warm an, sagt meine Tante.
Ich bin nicht gut drauf. Mein Herz wummert, schneller und härter als sonst. In meinem Darm herrscht große Unruhe, es dreht sich alles. Drückt von innen nach außen, gibt Tiergeräusche von sich. Ich glaube, gleich platzt mein Bauch und ein kleines Monster springt heraus. Mir ist verdammt übel.
So ist es.
Obwohl ich diesen Tag schon mehr als 143 mal in meinen Gedanken durchgespielt habe.
Wie ich aufstehe, meine Zähen putze, mich anziehe, das Frühstück ausfallen lasse, weil mir schlecht ist, aber der Kaffee geht, wie immer. Wie ich angezogen im Flur vor dem Spiegel stehe, in der rechten Hand den Griff meinen kleinen Koffers, wie ich meinen Mantel zurecht rücke, (Mama sagte immer: Wenigstens der Mantel muss gut ausgesehen, das ist das erste was man von dir sieht. Und die Haare.) Beim Blick in den Spiegel, stelle ich fest, das mit den Haaren habe ich einfach nicht drauf.
Ich halte mich am Koffer fest und der Tag ist nun da. Nicht nur in meinem Kopf. Sondern real time, real life.
Scheiße, scheiße, scheiße, fluche ich. Aber eigentlich weiß ich gar nicht, warum ich so gestresst bin.
Tot sind sie ja schon. Eine Weile. Und eingeäschert auch.
Getrauert habe ich auch schon. Monatelang.
Während die beiden Urnen in meinem Wohnzimmer standen.
Trotzdem fühle ich mich jetzt, wie vor einem Auftritt.
Ich lasse die volle Kaffeetasse im Flur auf dem Schuhregal stehen, öffne die Wohnungstür und trete ins Treppenhaus.
Die Rollen machen ein leichtes grummelndes Geräusch auf dem Boden. Der Fahrstuhl knackt und rauscht. Das Treppenhaus noch original Vintage, no retro, 60er Jahre. Ich lasse den Koffer kurz los, um die Türen des Fahrstuhls in der Mitte auseinaderzuziehen.
Sie scheppern gegen die rechts und links gegen den Türrahmen.
Ich nehme wieder den Koffer und trete in den Fahrstuhl.
Im Fahrstuhl wieder ein Spiegel. Das Licht ist unvorteilhaft, grell, von oben. Ich sehe so aus, wie ich mich fühle, denke ich.
Ich schaue mich genauer an, während an allen vier Seiten die anderen Stockwerke und Treppen durch die verglasten Seiten vorbeiziehen.